EUTOPIA NOW! Vortrag von Michael Sorkin
VortragVortrag von Michael Sorkin im Rahmen der Eröffnung des Symposiums „JOINT ACTION IN ARCHITECTURE – Getting political again?“
weiterlesen …Mit dem Symposium „JOINT ACTION IN ARCHITECTURE – Getting political again?“ widmet sich das Haus der Architektur Graz der heutigen politisch-moralischen Krise der Architektur ebenso wie Themen und Inhalten, die es zu verfolgen gilt, wenn Architektur wieder zum relevanten Player in der Gestaltung unserer politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse werden will.
Architektur, verstanden als räumlicher Ausdruck bestehender Machtverhältnisse, ist seit jeher auch eine politische Angelegenheit. Umso erstaunlicher, dass zeitgenössische Architektinnen und Architekten ihr Metier weitgehend apolitisch begreifen. Architektur wird auf Raumkunst reduziert – das Ergebnis ist in nicht wenigen Fällen eine sich selbst genügende Architektur, die größere Zusammenhänge ausblendet. Dass sich Architektur und Politik vor nicht allzu langer Zeit wesentlich näher waren, zeigt alleine schon ein Blick auf zahlreiche Bauten der Moderne, die neben der funktionalen Bewältigung einer Aufgabe immer auch den Entwurf neuer Gesellschaftsformen zum Inhalt hatten.
Mit u.a. Petra Čeferin (Architektin und Professorin Universität Ljubljana, SLO), Brian Cody (Institutsvorstand für Gebäude und Energie, TU Graz, IRL), Christian Felber (freier Publizist und Autor, Mitglied ATTAC Österreich, A), Francesca Ferguson, (Direktorin S AM Basel, D/GB), Zvi Hecker (Architekt, IL/D), Markus Miessen (Architekt, D), Roger Riewe (Architekt, A), Werner Sewing (Architekturtheoretiker, D), Michael Sorkin (Architekt, USA), Srdjan Jovanović Weiss (Architekt USA)
ABLAUF:
Freitag, 03. Juli, 14 Uhr: State of the world - State of the art Moderation: Leo Kühberger
Mit: Brian Cody, Christian Felber, Roland Mestel
Freitag, 03. Juli, 17 Uhr: Shooting stars
Moderation: Michael Zinganel
Mit: Petra Čeferin, Markus Miessen
Samstag, 04. Juli, 14 Uhr: Joint action in architecture
Moderation: Ute Woltron
Mit: Francesca Ferguson, Zvi Hecker, Michael Sorkin
Samstag, 04. Juli, 17 Uhr: Getting political again?
Moderation Manuela Hötzl
Mit: Roger Riewe, Werner Sewing, Srdjan Jovanović Weiss
Samstag, 04. Juli, 20 Uhr: Schlussrunde
Moderation: Ute Woltron
KEIN EINTRITT, KEINE ANMELDUNG!
Joint action in architecture - Getting political again?
BOOM
Architektur, verstanden als räumlicher Ausdruck bestehender Machtverhältnisse, ist seit jeher auch eine politische Angelegenheit. Umso erstaunlicher, dass zeitgenössische Architektinnen und Architekten ihr Metier weitgehend apolitisch begreifen. Architektur wird auf Raumkunst reduziert – das Ergebnis ist in nicht wenigen Fällen eine sich selbst genügende Architektur, die größere Zusammenhänge ausblendet. Dass sich Architektur und Politik vor nicht allzu langer Zeit wesentlich näher waren, zeigt alleine schon ein Blick auf zahlreiche Bauten der Moderne, die neben der funktionalen Bewältigung einer Aufgabe immer auch den Entwurf neuer Gesellschaftsformen zum Inhalt hatten. „In der Ära der Moderne wurde auch dort, wo es lediglich um den Bau einer Tankstelle oder eines Wohnhauses ging, immer auch zusätzlich eine Blaupause zum Bau der Zukunft mitgeliefert“, schreibt der deutsche Architekturkritiker Gerhard Matzig. „Die Grundrisse von Corbusier, Gropius oder Mies, die von Scharoun oder Taut sollten nicht nur Stau- und Lebensräume oder funktionalen Klimaschutz abmessen – sondern darüber hinaus auch ein zivilisatorisches Ideal für die kommende Gesellschaft.“1
Heutige Architektinnen und Architekten scheinen sich dahingegen lieber mit den Umständen arrangieren zu wollen. Eine Haltung, die ihnen in letzter Zeit vermehrt Kritik einbrachte. „Haben sich [die Architektinnen und Architekten] bereits damit abgefunden, dass Architektur völlig irrelevant geworden ist, gänzlich unfähig, in der zeitgenössischen politischen Landschaft Widerstand zu leisten, und stattdessen die Bedürfnisse des globalen Kapitalismus bedient?“, fragte sich etwa Andreas Ruby, Architekturkritiker aus Berlin.2 Seine Kritik richtete sich an zahlreiche prominente StarArchitektinnen
Und Architekten, die an einem umstrittenen Wettbewerb für einen Bürokomplex des russischen Energiekonzerns Gazprom in St. Petersburg teilgenommen hatten. Vorbehaltslos hatte die Crème de la crème der Zunft dem Wunsch des Auslobers entsprochen, einen Turm zu entwerfen, der die zulässige Gebäudehöhe der Welterbe Stadt um ein Vielfaches überschritten hätte. Ein Beispiel, das für viele Projekte steht, die in den letzten Jahren zwischen Moskau, Dubai und Peking entstanden sind. Und die die heikle Frage aufwerfen, ob es Architektinnen und Architekten egal sein darf, für wen sie bauen. „Die Architektur schlug sich auf die Seite der Potenten und glorifizierte den Einfluss
der Finanzmarkt Zauberer“, konstatierte der in Berlin lebende israelische Architekt Zvi Hecker im Januar 2009 in seinem denkwürdigen Manifest „Die Ära der Exzesse ist vorbei“. Hecker: „Je obskurer und ökologisch unverantwortlicher die Finanzinvestitionen gerieten, desto exzessiver gebärdete sich die architektonische Formensprache. In ihrer extremsten Form wurde die Architektur zu ihrer alleinigen Funktion, genauso wie das aufgeblasene Wachstum der Finanzmärkte ihr alleiniges raison d’être wurde.“3
KRISE
Mit dem Platzen der Immobilienblase in den USA und der aktuellen Weltwirtschaftskrise hat die Architektur neben dem moralischen nun aber auch ein handfestes ökonomisches Problem. Projekte wie etwa jenes von Gazprom liegen auf Eis und erste, zumeist global agierende Architekturbüros mussten bereits MitarbeiterInnen entlassen. Auch von Firmenpleiten ist die Rede. Der im September 2008 vollzogene Turn in der Weltwirtschaft markiert aber auch einen Moment der Chance, nach Jahren des Booms wieder grundsätzlich über die gesellschaftliche Rolle von Architektur nachzudenken. Was kann Architektur leisten, wenn das Geld knapp wird? Mit welchen Inhalten kann sich die Architektur konstruktiv an der Gestaltung unserer Gesellschaft beteiligen, wenn eine
weltweite Rezession uns dazu zwingt, Ansprüche herunterzuschrauben? Fragen, die sich umso drängender stellen angesichts massiver Investitionsmittel, die derzeit von staatlicher Seite zur Stimulierung der Wirtschaft in infrastrukturelle Maßnahmen fließen sollen. In einem offenen Brief an den US-Präsidenten Barack Obama warnte der amerikanische Architekt Michael Sorkin im Dezember 2008 davor, die von Obama eingeplanten 800 Milliarden Dollar für Infrastruktur in Projekte zu stecken, die lediglich den status quo einzementieren. Sorkin: „Das Letzte, was wir brauchen, sind Ideen aus der Schublade, die sich an alten Wertmaßstäben orientieren und nicht jene Neuerungen zum Ziel haben, die wir heute brauchen.“ Denn gerade angesichts Klimawandel, knapper Rohstoffe und einem damit absehbaren Ende unbegrenzter Mobilität sei eine radikale Wende auf vielen Ebenen erforderlich. In seinem Brief skizziert Sorkin zehn Punkte, wie Geld sinnvoll eingesetzt werden kann. Diese reichen vom Bau hunderter neuer, dichterer Städte über den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel und alternativer Energieträger bis zum Bau neuer öffentlicher Einrichtungen wie Schulen und Universitäten.4
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1 Gerhard Matzig: Sehnsucht nach gestern. Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 24.06.2007.
2 Andreas Ruby: Ikonomanie oder das StockholmSyndrom
der Architektur. GAM – Graz Architecture Magazine, Sringer, 2008, S 32.
3 Zvi Hecker, Die Ära der Exzesse ist vorbei. Der Tagesspiegel, 23.01.2009. http://www.tagesspiegel.de/kultur/ArchitekturZviHecker;
art772,2712901
4 Michael Sorkin, Some suggestions on how to spend $800 billion. Architectural Record, Ausgabe Februar 2009, http://archrecord.construction.com/features/critique/0902critique1.
asp.Originalzitat: “The last thing we need is […] ‘shovel ready’ projects that will tend to reflect old priorities, not the change we need and can believe in.”
Konzept und Idee:
Markus Bogensberger | Manfred Hasler | Anke Strittmatter |
Fabian Wallmüller
Vortrag von Michael Sorkin im Rahmen der Eröffnung des Symposiums „JOINT ACTION IN ARCHITECTURE – Getting political again?“
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