ort 02 London. Kreativer Stadtumbau von unten.
Vorträge und DiskussionEllis Woodman, Adam Caruso
SymposiumNoch eine britische Architektur
Allen Architekturbegeisterten ist wahrscheinlich klar, dass die britische Szene eine ungewöhnliche Bandbreite formaler Trends unterstützt. Wenn man heute eine britische Architekturzeitschrift durchblättert, trifft man auf Werke von John Pawson, Zaha Hadid, Will Alsop und Demetri Porphyrios. Jegliche Diskussion über die gesamte britische Architekturkultur ist daher gefährdet in eine belanglose Verallgemeinerung abzugleiten. Während der letzten 10 Jahre hat sich jedoch ein Trend ganz besonders durchgesetzt - die High-Tech- Szene.
Die Einführung einer staatlichen Lotterie im Jahr 1994 unterstützte ein massives Programm für öffentliche Bauten nach Jahren der Unterfinanzierung während der Thatcher-Regierung. Die Caruso St. John’s Walsall Kunstgalerie wurde teilweise aus dieser Quelle finanziert, bleibt jedoch eines der wenigen großen öffentlichen Bauten der letzten Zeit, das außerhalb der High-Tech Konvention steht.
Während dieser Zeit sind die Büros, die die zentralen High-Tech-Praktiken repräsentieren, wie Foster, Rogers, Grimshaw, Hopkins, Wilkinson Eyre, zu einer noch nie dagewesenen Größe angewachsen. Foster zum Beispiel beschäftigt zurzeit über 600 Angestellte weltweit. Während der Achtzigerjahre, der Zeit, in der Prinz Charles in die britische Architekturszene eingriff, schien der Gedanke an moderne britische Architektur nahezu gefährdet. Zwanzig Jahre später ist nun klar, dass die Moderne den Krieg gewonnen hat. Zumindest eine gewisse Marke der Moderne. Für die britische Öffentlichkeit sind moderne Architektur und Hight-Tech-Architektur gewissermaßen Synonyme.
In Bezug auf die Vortragsreihe mit dem Thema “Ort” wirft diese Entwicklung einige schwierige Fragen auf. Britisches High-Tech ist eine erklärt außer-kontextuelle Architektur. Wenn wir ihre fortdauernden Einflüsse aufzählen möchten, sollten wir den Jahr-Null-Futurismus von Archigram und auch das Erbe der amerikanischen Architekturszene, der Zeit unmittelbar nach dem Krieg, wie zum Beispiel Charles und Ray Eames, Buckminster Fuller und den späten Wright, berücksichtigen. Sie alle sind Quellen, die die Technik über kulturelle Kontinuität und kontextuelle Sensibilität stellten. Erst kürzlich fertiggestellte Gebäude wie der Swiss Re Tower von Foster oder das Selfridges Gebäude in Birmingham von Future Systems sind vielleicht Arbeiten von erstaunlichem technischen und formalen Können, ihre Kraft beziehen sie großteils jedoch aus einer bewußten Missachtung der Eigenheiten der jeweiligen Bauplätze.
Im selben Zeitraum tauchte jedoch eine andere Generation britischer Architekten auf. Es handelt sich dabei um eine Szene, die wir, wie ich zugebe, etwas unelegant als post-High-Tech bezeichnen möchten. Bis heute waren ihre Möglichkeiten etwas begrenzt, da auch die bedeutendsten Projekte in erster Linie Umbauten oder Erweiterungen bestehender Strukturen waren. Eine neue allgemeine Sensibilität ist jedoch klar erkennbar.
Während sich die führenden High-Tech-Architekten selbst als Baufachleute und nur als das, gekennzeichnet haben, hat diese neue Generation, z.B. Caruso St John, Tony Fretton, Florian Beigel, Sergison Bates, ein weiteres Betätigungsfeld gesucht. Sie unterrichten Architektur und schreiben darüber, und beschäftigen sich mit dem Thema sowohl auf häuslicher als auch auf städtebaulicher Ebene. Während auf dem europäischen Festland eine solche Reihe von Aktivitäten selbstverständlich ist, muß man in Großbritannien auf Persönlichkeiten wie Alison und Peter Smithson zurückgreifen, um Architekten zu finden, die sich einem so breiten Forschungsfeld betätigen.
Die Arbeiten dieser neuen Generation gründen auf der eifrigen Beobachtung des Wesens der modernen Stadt. Hierbei wurden sie von der Arbeit von Praktikern aus dem europäischen Festland, wie z.B. Alvaro Siza und weiteren Architekten, die im Laufe der letzten 20 Jahre aus der Schweiz kamen, geleitet. Ihr Interesse gilt einer besonderen Stadt, kulturell belebt, komplex und widersprüchlich. In der Praxis versuchen sie diese Eigenschaften zu verstehen und zu verteidigen. Dies tun sie mit Arbeiten, die normativ sind und zugleich eine Aufwertung des “Vorgefundenen” bieten.
Das Aufkommen einer Generation britischer Künstler in den frühen Neunziger Jahren, deren Arbeit im Interesse am Alltäglichen begründet ist, erwies sich ebenso als wichtige Anleitung. Viele der Arbeiten der neuen Generation britischer Architekten entstammen aus diesem kulturellen Milieu. Ihre Mappen sind dick gefüllt mit Galerien, Ausstellungsarchitektur, Häusern für Künstler etc. Viele dieser Arbeiten findet man im seit kurzem so mondänen Londoner Eastend, wo sie auch ihre Büros haben. Diese gegenseitige Befruchtung hatte sicherlich eine gewisse Auswirkung auf die Art, wie die Auseinandersetzung mit dem ‘Ort’ angegangen wird. Ihr Ansatz kann durchaus mit dem des Künstlers, der seine Arbeit mit Bezug zu einem gewissen Umfeld installiert, verglichen werden. Es handelt sich hier um eine Architektur, die einen Dialog mit ihrer urbanen und kulturellen Situation sucht [italic].
(Ellis Woodman)
Another British Architecture
To architecture aficionados it is probably evident that the British architectural scene supports an uncommonly wide range of formal tendencies. Looking through a UK architecture magazine today one might encounter the work of John Pawson, Zaha Hadid, Will Alsop and Demetri Porphyrios presented side by side. Any discussion of the UK’s collective architectural culture therefore runs the risk of slipping into meaningless generalisation. However over the last decade, a prevalent tendency has unquestionably taken hold - the high-tech scene.
The introduction in 1994 of a national lottery subsidised a massive programme of public building after years of underfunding during the Thatcher administration. Caruso St John’s Walsall Art Gallery was partially funded from this source but it remains only one of a handful of recent major public projects that sit outside the high-tech orthodoxy.
Over this period, the offices of the key high-tech practices - Foster, Rogers, Grimshaw, Hopkins, Wilkinson Eyre - grew to an unprecedented size, with Fosters currently employing over 600 employees around the world. In the ‘eighties - the period of Prince Charles’ interventions in the UK architectural debate - the very idea of British modernist architecture seemed to be under threat. Twenty years on, it’s clear that modernism won the war, or at least a particular brand of modernism - to the British public at large, modern architecture and high-tech architecture have become synonymous.
In relation to this series of lectures’ theme of “site”, this development raises some difficult questions. British high-tech is an avowedly acontextual architecture. If we list its prevailing influences, we should note the year-zero futurism of Archigram and also the legacy of the American architectural scene of the immediate post-war years: Charles and Ray Eames, Buckminster Fuller and late Wright. These are all sources that prized technique over cultural continuity and contextual responsiveness. Recently completed buildings such as Foster’s Swiss Re Tower or Future Systems’ Selfridges Birmingham may be works of astounding technical and formal prowess but their power is largely derived from a wilful disregard for the particularities of their respective sites.
However, over this same decade another generation of British architects have emerged. It is a scene which - I admit rather inelegantly - we might describe as post-high-tech. To date their opportunities have been limited - even the most significant projects are largely refurbishments or extensions of existing structures - but a new and common sensibility is clearly detectable.
While the leading high-tech architects have identified themselves as builders and builders only, this new generation - Caruso St John, Tony Fretton, Florian Beigel, Sergison Bates among others - have sought a wider mode of operation. They have taught and written about architecture and engaged with the subject at both the domestic and the urban scale. While, in mainland Europe, such a range of activities may hardly warrant comment, in Britain one has to look back to figures like Alison and Peter Smithson to find architects engaged in such a broad scope of enquiry.
The work of this new generation is grounded in keen observation of the nature of the contemporary city. In this, they have been guided by the work of practitioners from mainland Europe, notably Alvaro Siza and a number of the architects to emerge from Switzerland over the past twenty years. Their interest is in a city that is particular, culturally alive, complex and contradictory. In practice they have sought to understand and defend those qualities, making work that is at once normative while offering a validation of the “as found”.
The emergence in the early ‘nineties of a generation of British artists whose work is grounded in an interest in the everyday also proved a significant guide. Much of the work that has been undertaken by this new generation of British architects derives from this cultural milieu. Their portfolios are heavy with galleries, exhibition design, houses for artists - many of them in the recently gentrified east-end of London where they too have their offices. This cross-fertilisation has certainly had an impact on the way they have addressed the question of ‘site’. Their approach might be compared to that of the artist who installs their work in relation to a particular environment. This is an architecture that seeks an engagement with its urban and cultural situation [italic].
(Ellis Woodman)